Raphaelheilarbeit

Einleitung

In verschiedenen religiösen Traditionen findet man ein Jahrtausende altes Wissen zur Förderung und Entwicklung der Selbstheilungskräfte und zur Behandlung psychischer und körperlicher Probleme. Es gibt viele Verbindungen zwischen moderner Psychotherapie und diesen traditionellen Verfahren, obwohl sich oft die moderne Psychotherapie ihrer Wurzeln nicht bewusst ist und Spiritualität als aus der New-Age-Modebewegung kommend oder als vom kirchlichen Dogmatismus geprägt ablehnt. Doch die Tendenz, diese Vorurteile abzubauen, die Wurzeln der modernen Psychotherapie zu entdecken, die enormen Ressourcen zu erforschen, die in der spirituellen Dimension des Menschen liegen, um seine Selbstheilungskräfte zu fördern, nimmt nach meinem Eindruck zu. In diesem Sinne leistet die Raphaelheilarbeit einen Beitrag.
Die Raphaelheilarbeit hat ihre Wurzeln in der Tradition der Sufis und insbesondere in den Lehren von Hazrat Inayat Khan, dem ersten Sufilehrer, der das Denken und die Anschauungen der Sufis in den Westen brachte. Sie wurde von Himayat Inayat Khan entwickelt, dem Leiter des Internationalen Sufiheilordens, der die Lehren und Übungen von Hazrat Inayat Khan und von anderen Sufimeistern und Elemente aus der Polarity-Arbeit und prozessorientierten Arbeit zu einem Curriculum für eine Ausbildung in spirituellem Heilen zusammenfasste.

Der Name

Raphael ist in vielen Traditionen der Erzengel des Heilens und des Lebens. Alles Lebendige und jeder Heilungsprozess ist eine Verkörperung, eine Manifestation von Raphael. In der Raphaelheilarbeit wird das Bewusstsein des Menschen neu auf das Lebendige hin orientiert. Es steht der augenblickliche, lebendige Prozess im Vordergrund der Behandlung, das "Hier und Jetzt". Dies führt dazu, dass wir den Namen Raphaelheilarbeit - oder im amerikanischen Sprachraum "Raphaelitework" - für eine geeignete Beschreibung halten.

Prinzipien der Raphaelheilarbeit

Das Erschaffen einer heiligen Atmosphäre und die Entwicklung von Bewusstheit sind die wesentlichen heilenden Prinzipien in der Raphaelheilarbeit
Schon der Wortstamm "heil" von dem Wort "heilig" sagt aus, dass es altes Wissen der Menschheit ist, dass alles Heilige dem Menschen hilft, heil zu werden. Nach dem Wissen der Mystiker bringt uns eine heilige Atmosphäre durch Resonanz in Berührung mit der heilenden Kraft der Seele. Hierbei wird der Behandelnde zu einem Instrument, durch den die Heilkraft fließt.
Bei der Raphaelheilarbeit gehen wir davon aus, dass gerade in dem Problematischen oft das Geheimnis der Heilung verborgen ist. So versuchen wir, dem Behandelten in einer sanften Weise eine neue Orientierung zu geben. Man führt ihn z. B. bei Schmerzen dahin, auf eine liebevolle, nicht wertende Weise den betroffenen Körperbereich wahrzunehmen.
In Anlehnung an das von Sufimystikern beschriebene "Mysterium eines Lichtes auf ein Licht" kann man bei diesem Prozess sagen, dass das göttliche Licht, wie es sich im Bewusstsein des Menschen manifestiert, auf das im Problematischen verborgende Licht fällt und dass dadurch ein neues Licht entsteht, dass eine neue Sonne geboren wird und als neuer Stern aufsteigt und dass diese Erfahrung sehr befreiend und heilend ist.

Methoden der Raphaelheilarbeit

In der Raphaelheilarbeit gibt es zwei grundsätzliche Behandlungsmethoden. Die eine gehört zu den Methoden Heilung durch Berührung, die andere ist eine rein verbale Methode.
Heilung durch Berührung: diese Art zu heilen orientiert sich an den in der Alchemie beschriebenen fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther. Passend zu der Situation, in der der Behandelte ist, werden entsprechende Bereiche des Körpers nach diesen fünf Elementen ausgewählt und berührt. Ähnlich wie in der Polarity-Arbeit werden immer zwei Punkte gleichzeitig berührt. Hierdurch soll eine weitere Entwicklung und Heilung in fünf Bereichen erreicht werden, die in der Raphaelheilarbeit Körper genannt werden: auf der Ebene des materiellen Körpers kommen gestaute Energien wieder zum Fließen, es kommt zu Entladungen; im emotionalen Körper kommt es zum Bewusstwerden und zur Entladung von Gefühlen; im Gedankenkörper tritt eine Beruhigung des Denkens ein, das Denken wird klarer und tiefere, innere Bilder können aufsteigen; im Verbundenheitskörper wird die Verbindung mit der Existenz und den Menschen bewusst und kann sich wieder vertiefen; im spirituellen Körper kann es zum Erleben essentieller, sehr heilsamer Zustände kommen.
Bei der verbalen Methode wird der Behandelte durch Worte dahin geführt, die oben beschriebenen Prozesse zu erleben.

Heilung in der Raphaelheilarbeit

In der Raphaelheilarbeit wird Heilung in einem sehr weiten Sinn verstanden: Heilung oder Geheiltsein heißt nicht, ohne psychische und körperliche Krankheitssymptome zu sein, wird nicht als der Gegenpol zur Krankheit gesehen. Um zu verdeutlichen, was der Hintergrund dieser Betrachtungsweise ist, möchte ich den Begriff Seele beschreiben, wie er von vielen Sufis und anderen Mystikern aufgefasst wird. Die Seele wird als etwas Vollkommenes verstanden, das Anteil an der göttlichen Vollkommenheit hat. So beschreibt sie Hazrat Inyat Khan als absolut friedlich, im Besitz absoluter Erkenntnis, als absolut schön, im Besitz absoluter Handlungsvollkommenheit und als absolut wahr. Meister Eckhard sagt, dass in der Tiefe des menschlichen Seins ein göttlicher Funke ist. Auch kann man Jesus Christus Satz "Sei vollkommen wie der Vater" als Aufforderung interpretieren, einen Weg zu entwickeln, sich an die Vollkommenheit der Seele wieder zu erinnern.
Die Seele hat mit der Geburt als Mensch und mit der Beschränkung auf die fünf Sinne ihre eigene Vollkommenheit vergessen. Den Prozess, die Vollkommenheit der Seele wieder zu finden, kann man als die Suche der Seele nach ihrer Heilung verstehen. Jeder Moment eines spirituellen Erlebens, jeder wirkliche Entwicklungsschritt eines Menschen, jede tiefer gehende Erfahrung, kann hierbei als Schritt in diesem Heilungsprozess gesehen werden.

"Die Krankheit selbst ist eine Art der Erfahrung, durch die man zu Gottesbewusstsein gelangen kann. Krankheit ist, so spricht man, ein Band der Liebe, durch die Gott die Heiligen zu sich heranzieht."
("Die Alchimie der Glückseligkeit", Al-Ghazzali)